Woyzeck in Einfacher Sprache

TÖ: Sie haben sich auf den Weg gemacht, das Landestheater Tübingen Reutlingen (LTT) barrierefreier zu machen. Ein Weg davon ist, dass Sie das Drama „Woyzeck“ in Einfacher Sprache erklärt haben. Warum haben Sie sich für dieses Theaterstück entschieden?

 

LTT: „Woyzeck“ erzählt viel über Musik und Bilder. Die Sprache ist stark verknappt. Es gibt keine langen oder komplizierten Sätze – wie bei anderen Autoren wie zum Beispiel Friedrich Schiller oder Kleist. Wir haben es aber auch ausgewählt, weil „Woyzeck“ lange im Repertoire des Theaters bleiben wird. So können wir unsere Arbeit, die wir da reinstecken, „Woyzeck“ in Einfacher Sprache aufzubereiten, länger nutzen.

 

TÖ: Wie sind Sie vorgegangen, um herauszufinden, wie Sie Woyzeck in Einfacher Sprache gestalten können bzw. was Sie über das Stück erzählen können?

 

LTT: Grundlage war zum einen natürlich erst einmal unsere Einführung in Strukturen von Leichter Sprache und Einfacher Sprache von Frau Helmle. Dann habe ich gemeinsam mit unserer Theaterpädagogin Miriam Rösch überlegt: Was können wir vor einem Inszenierungsbesuch erklären, um das Stück verständlicher zu machen? Wir stellen die einzelnen Figuren vor. Wir zeigen dazu Fotos von den „Woyzeck“-Schauspieler*innen im jeweiligen Kostüm und erklären, welche Beziehungen die Figuren zueinander haben. So müssen sich unsere Zuschauer*innen mit diesen Fragen beim Gucken nicht mehr beschäftigen, sondern können das Theatererlebnis genießen. Beim Redigieren der Texte hatten wir dann auch noch einmal Unterstützung von Frau Helmle. Bisher haben wir sehr positive Rückmeldungen zu den Einführungen – auch von Besucher*innen, die ansonsten zu standardsprachlichen Einführungen kommen.

 

TÖ: Haben Sie zum ersten Mal ein Stück barrierefrei gestaltet?

LTT: Ich würde nicht sagen, dass das Stück nun barrierefrei ist. Aber wir arbeiten auf mehreren Ebenen daran, Theaterbesuche zumindest barriereärmer zu gestalten. Es gibt zum Beispiel schon länger eine Induktionsschleife bei uns im Saal. Außerdem  bieten wir Vorstellungen für Hörgeräte- und CI-Träger*innen an. Dabei benutzen die Schauspieler*innen Mikrofone, was ja sonst nicht der Fall ist. Einführungen in Einfacher Sprache haben wir in der letzten Spielzeit tatsächlich das erste Mal angeboten.

 

TÖ: Gab es zwischendurch Herausforderungen?

LTT: Viele. Hier ein paar Beispiele: Das Einarbeiten in die Regelwerke für Leichte Sprache und für Einfache Sprache. Wie immer am Anfang einer Arbeit: Die fehlende Routine. Alles dauert erst einmal lange, in einem Arbeitsalltag, der ohnehin oft turbulent ist. Sich die Motivation auch über einen längeren Zeitraum bewahren. Die positiven Rückmeldungen auf unsere Arbeit sind da natürlich die beste Motivation.

 

TÖ: Planen Sie noch andere barrierefreie Stücke?

 

LTT: Wir bieten für weitere Theaterbesuche Einführungen in Einfacher Sprache an. Aktuell machen wir das neben „Woyzeck“ für „Angstmän“ und für „Die drei Räuber“. Die Termine können Sie bei unserer Theaterkasse erfragen oder auf unserer Homepage nachlesen.

 

TÖ: Wie hat Ihnen Einfache Sprache dabei geholfen, Barrieren im Theater abzubauen?

 

LTT: Ich glaube, Theater ist oft schwer verständlich. Auch, weil die Sprache oft nicht leicht zu verstehen ist. Oft sind Theatertexte mehrere hundert Jahre alt. Oder die Sprache ist sehr kunstvoll gestaltet. Und hat nicht viel mit einer Alltagssprache zu tun. Wir hoffen, dass Besucher*innen mehr Spaß am Theaterbesuch haben, wenn sie schon einmal wissen, worum es in den Stücken geht und welche Figuren auftreten.

 

TÖ: Welche Rückmeldungen bekommen Sie für Ihre Bemühungen?

LTT: Sehr positive. Ich habe auch schon erlebt, dass Besucher*innen zufällig zu einer Einführung in Einfacher Sprache kamen und nicht darauf vorbereitet waren. Am Anfang der Einführung fanden manche diese einfache Art zu erklären lustig. Nach ein paar Minuten haben sie sich aber daran gewöhnt. Und gerade diese Menschen haben dann manchmal gesagt, dass es auch für sie eine gute Einführung war, weil sie entspannt alles verstehen konnten.

 

TÖ: Welche Tipps würden Sie anderen Theatern geben, die sich auch auf den Weg in Richtung Barrierefreiheit machen?

 

LTT: Einfach anfangen. Es ist anstrengend. Es braucht viel Zeit. Aber man lernt viel. Oft auch darüber, wo überhaupt Barrieren sind, die man selbst nicht wahrgenommen hat. Und ermöglicht hoffentlich, dass mehr Menschen Freude an Theaterbesuchen haben können.

 

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